Wie Unternehmen den Menschen in den Mittelpunkt der Digitalisierung stellen können

Was bedeutet „menschzentrierte Gestaltung” im Kontext von Digitalisierung? 

Mit dem Fortschritt der Digitalisierung verändern sich Unternehmensprozesse, doch der Mensch darf dabei nicht vergessen werden. Bei der menschzentrierten Gestaltung (Human-centered Design) steht nicht allein die technologische Innovation im Vordergrund, sondern wird auch der Mensch und seine essenzielle Rolle im Arbeitssystem in den Blickpunkt gerückt [1]. Mit Blick auf KI geht es nicht nur darum, KI-Systeme einzuführen, die effizienter sind oder die Produktivität steigern, sondern darum, wie diese Technologien die Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigen [2]. Ziel der menschzentrierten KI ist es, nachhaltige Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Arbeitszufriedenheit und die langfristige Bindung der Mitarbeitenden fördern.  

Warum ist das für Unternehmen wichtig? 

Die Einbindung der Mitarbeitenden in den digitalen Wandel ist nicht nur ethisch wichtig, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Unternehmen, die auf zufriedene und gesunde Arbeitskräfte angewiesen sind, profitieren nachhaltig davon. Menschzentrierter Ansätze, welche die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in der Digitalisierung einbeziehen, und bei der Entwicklung von KI berücksichtigt werden, haben einen positiven Effekt auf Arbeitszufriedenheit und Motivation [3,4] und wirken sich somit nachhaltig auf das Arbeitsklima aus. Im Hinblick auf Fluktuation und die Vermeidung von Überlastung hat dies langfristig positive Auswirkungen auf die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. 

Ein Beispiel: KI im Arbeitsalltag 

Ein konkretes Beispiel für menschzentrierte KI-Entwicklung lässt sich an der Nutzung von KI-Systemen zur Schichtdienstplanung verdeutlichen. Dienstpläne zu schreiben ist ein komplexer und anstrengender Prozess; die Automatisierung dieses Planungsprozesses ein äußerst erstrebenswertes Ziel. Bei der Entwicklung eines KI-Systems ist jedoch immer zu beachten, dass das Ergebnis nur so gut sein wird wie die Trainingsdaten, die zur Entwicklung des Algorithmus genutzt werden.  

Eine völlige Automatisierung von Planungsprozessen birgt die Gefahr, dass individuelle Bedürfnisse nicht adäquat Beachtung finden können, dass Planungsprozesse unflexibel werden und individuelle Lebensumstände (etwa ein plötzlich auftretender Pflegebedarf eines Angehörigen) nicht adäquat berücksichtigt werden oder als unfair betrachtete Planungsprozesse der Vergangenheit reproduziert werden. Wo Entscheidungsprozesse vollständig automatisiert werden, kann es zu einem Gefühl der Entmenschlichung seitens der Beschäftigten führen, die im schlimmsten Fall das Vertrauen in ihre Vorgesetzten oder das Unternehmen verlieren.  

In einem menschenzentrierten Ansatz würde die Schichtdienstplanung durch ein mittelt hochwertiger Trainingsdaten entwickeltes KI-System Personalplaner:innen unterstützen und Vorschläge generieren, es würde Feedback zulassen, um kontinuierlich bessere Vorschläge zu generieren und die Entscheidungshoheit bliebe stets in Menschenhand. 

Erkenntnisse aus unserer Publikation  

Unser Anliegen war es, darzulegen, was Menschzentrierung im Kontext von KI und Arbeitsgestaltung eigentlich in der Realisierung bedeutet. In unserem praxisnahen Ansatz reflektieren wir unser Vorgehen anhand von drei exemplarisch ausgewählten Pilotvorhaben im KMI-Projekt und leiten Handlungsempfehlungen in Form konkreter Fragestellungen ab, die Unternehmen und Forschende als Reflexionshilfe nutzen können.  Die vorgestellte Stakeholder Matrix unterstützt Unternehmen dabei zu klassifizieren, welche Mitarbeitendengruppen direkt oder indirekt von KI beeinflusst werden und in welchen Phasen des Projekts deren Einbindung am wichtigsten ist. Es ist ein Werkzeug, um Bewusstsein zu schaffen für den Einfluss, den KI auf die Arbeitsgestaltung hat. Handlungsempfehlungen sowie Matrix können Unternehmen helfen, ihre Mitarbeitenden frühzeitig einzubinden, deren Bedarfe zu berücksichtigen und KI so zu gestalten, dass sie sowohl den Unternehmen als auch den Mitarbeitenden dient. 

Finden Sie die Handlungsempfehlungen sowie die Stakeholder Matrix in unserer frei zugänglichen Publikation „Human-centered AI development in practice—insights from a multidisciplinary approach” in der Zeitschrift für Arbeitswissenschaft

 

Literatur

  1. Franke, T., & Zoubir, M. (2020). Technology for the People? Humanity as a Compass for the Digital Transformation. Wirtschaftsdienst, 100, 4-11. https://doi.org/10.1007/s10273-020-2609-3
  2. Auernhammer, J. (2020). Human-centered AI: The role of Human-centered Design Research in the development of AI, in Boess, S., Cheung, M. and Cain, R. (eds.), Synergy – DRS International Conference 2020, 11-14 August, Held online. https://doi.org/10.21606/drs.2020.282 
  3. Shneiderman, B. (2020). Human-centered artificial intelligence: Three fresh ideas. AIS Transactions on Human-Computer Interaction, 12(3), 109-124. https://doi.org/10.17705/1thci.00131 
  4. Parker, S. K., & Grote, G. (2022). Automation, algorithms, and beyond: Why work design matters more than ever in a digital world. Applied psychology, 71(4), 1171-1204. https://doi.org/10.1111/apps.12241